Wo soll ich anfangen? Das Erlebnis fing mit Kunst an. Zur langen Nacht der Museen war ich einmal mit einer Naturwissenschaftlerin unterwegs. Wir waren in drei verschiedenen Kunstausstellungen. Haben gebastelt und viel geschaut. Im letzten Museum, wurde es ihr zu viel. Hach, das ist mir zu viel Kunst, ich bin doch Naturwissenschaftlerin.
Ich verstehe das hier alles nicht. Regelrecht in Stress war sie versetzt durch das Überangebot an Kunst. Es war wirklich ein hochdosiertes Kunsterlebnis. Mir war schleierhaft, was denn da so problematisch ist. Ich wollte sie beruhigen. Es gibt nicht nur eine Antwort auf die Frage nach der Bedeutung. Zusammen haben wir auch durch Albernheiten viele „Lösungen“ gefunden. Mich haben verstörende Arbeiten nicht provoziert oder gestresst. Ich war belustigt, inspiriert oder erfrischt. Habe innerlich Projekte für eigene Dinge geschmiedet oder Parallelen gezogen. Meine Begleitung war von der Rolle. Jetzt half nur noch ein Heißgetränk. Ich weiß gar nicht, ob ihr der Abend dann final in guter oder schlechter Erinnerung geblieben ist.
Augen offen, die ganze Wucht der Technik
Bis heute konnte ich das nicht verstehen. Es hat mich nicht aufgeregt. Aber irgendwie konnte ich es nicht nachvollziehen, wieso der Anblick einiger Skulpturen oder Gemälde irgendwann so etwas wie Stress oder sollte ich sagen Unverständlichkeitsstress hervorrufen sollte. Hey, lass dich ein und lass es auf dich wirken. Hätte ich mit meiner imaginären Menschenfreundhäkelmütze gern wiederholt.
Heute. Ein übertragenes Heute hat alles verändert und mich viel nachdenken lassen. Ich besuchte unverblümt als Mutter mit einem Vorschulkind ein naturwissenschaftliches Museum in Bremen. Schon lange hatten wir es geplant und nun endlich wollten wir uns die Zeit nehmen und ins Universum in Bremen gehen.
Das Gebäude ist beeindruckend. Klar. Weiß jeder. Ein Außengelände gibt es auch. Es schreit nach einem Tagesausflug. Der Februarregennachmittag schien uns ebenfalls ideal. Der transparente Tunnelgang ins Innere des silbernen Wals musste schnellstmöglich begangen werden. Und innen erwarteten uns drei Motto-Etagen: Natur, Mensch, Technik.
Der Tunnel mündet in den Technik-Bereich und da fängt mein Erlebnis an. Hier bin ich die Geisteswissenschaftlerin, die sich umzingelt von Physik-Experimenten fühlt. Und gleichzeitig muss ich dem Vorschulkind Ursache, Wirkung, Zusammenhang erklären. Ich fühle mich wieder wie ein Bohème-Backfisch im Physik-Unterricht. Wo ist gleich die Achterbahn der Unverständlichkeit? Ich kann das eh nicht. Ich verstehe das sowieso nicht. So viele Phänomene, so viele Erklärungen. Fakten überfallen mich. Noch mehr Fakten. Eine Schreckstarre der Unverständlichkeit will mich in den Bann ziehen. Nein. Nach dem kurzen inneren Panikmonolog zu Naturwissenschaften-verstehe-ich-eh-nicht-bla, lasse ich mich darauf ein. Es gibt so viel zu tun. Wir probieren viele Gerätschaften aus, freuen uns, dass hier die meisten Exponate „bedient“ oder besser angefasst werden dürfen. Wir staunen zusammen über Lichteffekte. Wir komponieren. Bauen. Schrauben an Reglern herum. Die Angst verblasst. Die Freude ist da. Ja?
Was heißt das denn nun?
Verständlichkeits-Stress. Ich habe das Erlebnis meiner Museumsbegleitung jetzt verstanden, gar nachempfunden. Es ist ein viel größeres Experiment, sich dem auf den ersten Blick Unverständlichen auszusetzen. Am 11. Februar ist Women and Girls in Science Day. Für mich der Moment, über meine eigene Sozialisation in den Naturwissenschaften nachzudenken. Hier kann ich nicht mehr viel Retten. Ich habe auch keine Lösungsansätze, möchte aber so offen wie möglich als Mutter mit dem unbekannteren Gebiet umgehen. Es stresst mich natürlich, dass ich schon vorab denke, dass ich es nicht verstehen werde. Ich werde versuchen, mich mehr darauf einzulassen und alle aufkeimenden Interessen in dieser Richtung gleichberechtigt mit anderen Richtungen als Mutter zu fördern. Es bleibt mir als Erwachsene auch nichts anders übrig als zu akzeptieren, dass ich persönlich nicht mehr auf den Zug aufspringen kann/muss/soll. Will ich das denn? Mut macht doch, dass andere ähnliche Gefühle beim Anblick einer Installation haben.
Happy women in science day!
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